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Sexualisierte Gewalt

Verantwortlich: Andrea Petri-Bartfeld

Liebe Fachkraft, willkommen auf der Informationsseite für Fachkräfte zum Thema sexualisierte Gewalt.

Auf dieser Seite finden Sie Hilfe- und Unterstützungsangebote in Essen und Umgebung, Informationen dazu, was sexualisierte Gewalt ist, wer Täter*innen und Betroffene sind, was Sie tun können, um sexualisierter Gewalt entgegenzuwirken oder wie Sie bereits Betroffene und ihre Angehörigen konkret unterstützen können.

Darüber hinaus finden Sie Informationen zur Fachgruppe horizont, ein großes Netzwerk derer, die in Essen am Thema arbeiten.

Inhalte

 


Was ist sexualisierte Gewalt?

Sexualisierte Gewalt ist vielfältig und kann jeden Menschen, unabhängig von Aussehen, Alter, Milieu, Bildungsniveau, Herkunft und sexueller Orientierung treffen. Im Folgenden liegt der Fokus auf der statistisch gesehen am häufigsten von sexualisierter Gewalt betroffenen Gruppe der Kinder und Jugendlichen. Die Definition sexualisierter Gewalt ist jedoch auf alle Altersgruppen übertragbar.

Sexualisierte Gewalt beginnt dort, wo körperliche Nähe und Berührungen nicht dazu dienen, Zuneigung auszudrücken, sondern zur eigenen Bedürfnis- und Machtbefriedigung benutzt werden. Täter*innen nutzen die eigene Machtposition und Überlegenheit, sowie die Unwissenheit, das Vertrauen und/oder die Abhängigkeit der betroffenen Person aus, um sie zu sexuellen Handlungen zu überreden oder zu zwingen.

Häufig gelingt es Täter*innen durch subtile Strategien, geschickte Manipulation und Beeinflussung, der betroffenen Person das Gefühl zu geben, (mit-)verantwortlich für das Geschehene zu sein. In der Verstrickung von Angst, vermeintlicher Schuld und Scham fällt es Betroffenen somit oft schwer, sich jemandem anzuvertrauen und über das Erlebte zu sprechen. Auch psychischer Druck oder Drohungen sowie die Forderung nach Geheimhaltung machen Betroffene „sprachlos“ und führen dazu, dass Täter*innen unentdeckt bleiben.

Die Dunkelziffer – also alle nicht bekannten und nicht angezeigten sexualisierten Gewalttaten – ist hoch. Die bekannt gewordenen Fälle sind nur die Spitze des Eisbergs. Gerade innerfamiliäre sexualisierte Gewalt bleibt oft jahrelang verborgen, weil Betroffene schweigen, um die Familie zu schützen.

Die Strafrechtsparagraphen §§ 174 ff StGB (siehe 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches: „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung) definieren jede sexuelle Handlung eines*r Erwachsenen oder Jugendlichen (14 Jahre und älter) an, mit oder vor einem Kind (jünger als 14 Jahre) als „sexuellen Missbrauch“:

Zu den sexualisierten Gewalthandlungen zählen alle sexualisierten Körperkontakte zwischen Täter*innen und Kindern wie z.B. Berührung im Intimbereich sowie die orale, vaginale und anale Vergewaltigung.

Aber auch zahlreiche Handlungen ohne Körperkontakt sind sexualisierte Gewalt, z.B. das exhibitionistische Entblößen und zur Schau stellen von Geschlechtsteilen, obszöne und sexuell stimulierende Gespräche mit dem Kind, das gemeinsame Betrachten und Überlassen freizügiger und pornografischer Fotos und Filme, das Anfertigen von Film- und Bildmaterial mit Kindern in eindeutig sexualisierten Körperhaltungen oder bei sexuellen Handlungen sowie das Verbreiten solcher Missbrauchsabbildungen im Internet und in anderen Medien.

Darüber hinaus macht sich jede Person über 14 Jahren strafbar, die gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder diese Person dazu bestimmt, dass sie sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von dieser an sich vornehmen lässt.

Je nach Schwere der Tat greift ein unterschiedlich hohes Strafmaß.  wenn z.B. das Kind durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung gebracht wird, Gefahr für Leib oder Leben besteht bzw. wenigstens leichtfertig der Tod des Kindes in Kauf genommen oder eine schutz- und hilflose Lage des Kindes ausgenutzt wird.

Strafverschärfend wirkt ebenso, wenn eine Person über 18 Jahre mit dem Kind den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen vornimmt, die mit einem Eindringen in den Körper des Opfers verbunden sind oder die Tat von mehreren gemeinschaftlich ausgeübt wird.

Auch die Förderung der Prostitution und der Menschenhandel mit dem Ziel der sexuellen Ausbeutung sowie Besitz, Herstellung und Verbreitung von Missbrauchsabbildungen im Netz („sog. kinderpornografische Produkte“) sind als Verbrechen unter Strafe gestellt.

Auch der sexuelle Missbrauch von Jugendlichen (14-17 Jahre) durch Erwachsene ab 18 bzw. 21 Jahren ist strafbar.

Sexualisierte Gewalt passiert nicht zufällig oder versehentlich und ist sehr selten eine einmalige Tat, sondern wird meistens von Täter*innen bewusst (meist langfristig) geplant und geschieht häufig über einen längeren Zeitraum hinweg.

Durch die schnell wachsenden Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten in den Medien findet sexualisierte Gewalt nicht nur mehr in der realen Welt statt, sondern verlagert sich zunehmend auch in die virtuelle Welt. Anonymität und virtuelle Freizügigkeit fördern distanzlose und aggressive sexuelle Übergriffe in Internetforen, sozialen Netzwerken und Kinderchats. Das Herstellen und Verschicken von freizügigen Fotos und Videos per Smartphone, die Versendung von anzüglichen und obszönen Nachrichten, sexuelle Beschimpfungen und herabwürdigende sexualisierte Beleidigungen sind Erfahrungen, die schon Kinder im Umgang mit Medien machen und die zu unkontrollierbaren Ängsten, Sprachlosigkeit und Traumatisierung führen können.

Neben einer stärkenden und persönlichkeitsfördernden Erziehung ist eine frühzeitige Aufklärung über Chancen und Risiken von Internet und Co. ein wichtiger Baustein in der Präventionsarbeit, um vor sexualisierter Gewalt zu schützen.

 


Wer sind die Täter*innen?

Täter*innen sind Menschen aller Geschlechter und unabhängig von Alter, Beruf, sozialer oder kultureller Herkunft oder sexueller Orientierung.

Aktuell überwiegt die Anzahl der männlichen Täter (nicht binäre Personen werden in der Kriminalstatistik nicht berücksichtigt), sexualisierte Gewalt durch Fremde ist eher selten. In zwei Drittel aller Fälle erleben Betroffene sexualisierte Gewalt durch Menschen aus ihrem sozialen Nahfeld, d.h. Täter*innen und Betroffene kennen sich, kommen oft sogar aus der gleichen Familie bzw. Verwandtschaft oder stammen aus dem Freund*innen- und Bekanntenkreis (bspw. der Eltern), aus der Nachbarschaft oder dem weiteren sozialen Umfeld (Schule, Verein, Freizeiteinrichtungen, etc.).

Häufig wählen Täter*innen gezielt Berufe oder Ämter, in denen sie leichten Zugang zu Kindern und Jugendlichen haben und relativ unauffällig sexualisierte Gewalt ausüben und sexuelle Übergriffe anbahnen können. Auch in Heimen, Wohngruppen, Pflege- und Behinderteneinrichtungen können Kinder und Jugendliche, nicht zuletzt durch ihre soziale und emotionale Abhängigkeit sowie ihre Hilfe- und Unterstützungsbedürftigkeit, Opfer sexualisierter Gewalt werden. Häufig nutzen Täter*innen auch online Chats, um Kontakt zu potenziellen Opfern aufzunehmen, diese in eine ausweglose Lage zu bringen und sie zu offline-Treffen zu motivieren.

Sexualisierte Gewalt und sexuelle Grenzverletzungen gibt es auch durch und unter Kindern und Jugendlichen. Sie können ebenfalls strafbar sein und sind keinesfalls harmloser Spaß.

Kinder und Jugendliche durchlaufen in ihrer Entwicklung eine psychosexuelle Entwicklung, in der die Erkundung des eigenen und fremden Körpers eine wichtige Rolle spielt. Dies findet bei Kindern beispielsweise in Form von so genannten „Doktorspielen“ statt. Kinder und Jugendliche brauchen einen sicheren und geschützten Raum für ihre psychosoziale Entwicklung. Sexuelle Übergriffe unter Kindern und Jugendlichen gehen hingegen mit Gewalt und dem Überschreiten von Grenzen einher und bedürfen der professionellen Klärung.

 


Wer ist besonders gefährdet?

Kinder und Jugendliche aus allen sozialen Milieus können sexualisierte Gewalt erfahren, allerdings sind weitaus mehr weiblich als männlich gelesene Menschen betroffen.

Grundsätzlich sind Kinder und Jugendliche, die eine Aufklärung erfahren und in ihrer Selbstsicherheit bestärkt werden, seltener von sexualisierter Gewalt betroffen. Ihnen fällt es häufig leichter, mit einer vertrauten Person über das Erlebte zu sprechen oder sich Hilfe zu holen.

Gefährdeter hingegen sind Kinder und Jugendliche, die ein geringes Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein haben. Täter*innen nutzen körperliche und seelische Vernachlässigung sowie fehlende Zuwendung, Akzeptanz und ein unaufmerksames/instabiles Umfeld. Ebenso sind Kinder und Jugendliche gefährdeter, die aufgrund ihrer Lebenssituation in hohem Maße von erwachsenen oder jugendlichen Bezugspersonen abhängig sind.

Auch eine streng autoritäre Erziehung, die wenig Platz für kindliche Wünsche, Gefühle und Bedürfnisse lässt, kann sexuelle Gewalt begünstigen, da hierin die Selbstbestimmung des Kindes und der* des Jugendlichen nicht gefördert wird.

Kinder und Jugendliche, die Diskriminierung erfahren, sind ebenfalls gefährdeter. Hierunter sind beispielweise Rassismus, Ableismus, Klassismus, Fettfeindlichkeit oder Sexismus zu nennen. Täter*innen nutzen die Machtsysteme, die sie in unserer Gesellschaft wiederfinden, für ihre Interessen aus.

Bei der Betrachtung dieser verschiedenen Gefährdungslagen muss stets mitgedacht werden, dass die Verantwortung, sich vor sexualisierter Gewalt zu schützen, nicht bei den Kindern und Jugendlichen liegt. Die Verantwortung für sexualisierte Gewalt liegt allein bei dem*der Täter*in, nicht bei den Betroffenen.

 


Was können Sie präventiv tun?

  • Eine vertrauens- und respektvolle Beziehung zum Kind oder zu dem*der Jugendlichen aufbauen.
  • Gefühle des Kindes oder des*der Jugendlichen ernst nehmen und das Kind oder den*die Jugendliche darin bestärken, die eigenen Gefühle zu zeigen und darüber zu sprechen.
  • Das Kind oder den*die Jugendliche*n über das eigene körperliche Selbstbestimmungsrecht aufklären: „Mein Körper gehört mir!“
  • Das Kind oder den*die Jugendliche*n ermutigen NEIN zu sagen und Grenzen zu setzen: „Ich habe das Recht, mich zu wehren! Wenn jemand mein NEIN nicht akzeptiert und meine Grenzen nicht beachtet, dann darf ich mir Hilfe holen!“
  • Kindern oder Jugendlichen, die eher zurückhaltend und schüchtern sind Wege aufzeigen, wie sie auch ohne ein lautes NEIN ihre Grenzen deutlich machen können und bspw. durch Körpersprache ihr NEIN äußern können.
  • Dem Kind oder dem*der Jugendlichen verdeutlichen, dass auch die körperlichen Grenzen anderer Menschen zu achten sind und deren NEIN ebenfalls respektiert werden muss.
  • Dem Kind oder dem*der Jugendlichen erklären, dass es „gute“ und „schlechte“ Geheimnisse gibt. Ihnen ausdrücklich erlauben, über die „schlechten Geheimnisse“ zu sprechen, auch wenn die Tatperson Geheimhaltung fordert. Hilfeholen ist kein Petzen!
  • Das Kind oder den*die Jugendliche*n dazu befähigen, durch altersgemäßes Vokabular sexualisierte Gewalt sprachlich schildern/ausdrücken zu können.
  • Dem Kind oder dem*der Jugendlichen einen Zugang zu einer altersgemäßen Sexualerziehung ermöglichen.

Machen Sie die Kinder und Jugendlichen, mit denen Sie zusammenarbeiten oder leben, sprachfähig für ihre Gefühle (das ist mir angenehm, das ist mir unangenehm) und hören Sie, was sie Ihnen sagen.

In der institutionellen Begleitung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass sexualpädagogische und präventive Konzepte verankert sind. Verbindliche Handlungsabläufe und Konzepte für das Krisenmanagement bei sexualisierter Gewalt durch Mitarbeitende der Einrichtung müssen ebenso vorhanden sein wie Ansprechpersonen für Kinder und Jugendliche, deren Eltern und Bezugspersonen.

 


Signale für erlebte sexualisierte Gewalt

Ob eine Person von sexualisierter Gewalt betroffen ist, ist häufig nicht auf den ersten Blick zu erkennen. So unterschiedlich Menschen sind, so unterschiedlich sind auch die Signale, die eine betroffene Person aussendet, um auf ihre Notlage aufmerksam zu machen.

Signale können sein:

  • Aggression gegenüber Personen und Sachen sowie Autoaggression (gegen sich selbst)
  • Sozialer Rückzug, Distanz, Isolation, aber auch Hyperaktivität und Distanzlosigkeit
  • Leistungsabfall, Gleichgültigkeit, Schulversagen
  • Auffällige, nicht altersgemäße sexuelle Sprache und Handlungen
  • Körperlicher Schmerz (z.B. Bauch- und Kopfschmerzen, diffuse Schmerzzustände)
  • Verletzungen im Genitalbereich (Blutergüsse, Kratz-/Bisswunden, Hämatome) sowie Geschlechtskrankheiten
  • Psychosomatische Beschwerden, Schlaf- und Essstörungen, Angstzustände, Depressionen und Suchterkrankungen

Keines der aufgezählten Signale muss auf sexualisierte Gewalt hinweisen, sollte aber als ein möglicher Auslöser in Betracht gezogen werden. Seien Sie sich bewusst, dass bei einem der auftretenden Signale generell Handlungsbedarf besteht und Sie der betroffenen Person vermehrt Ihre Unterstützung anbieten und sich nach ihrem Wohlbefinden erkundigen. Die oben genannten Signale sollten immer zu einer erhöhten Sensibilität führen, egal welcher Auslöser dahintersteckt.  

 


Was können Sie bei einem (Verdachts-)fall tun?

Atmen Sie tief durch! Die Reaktionen von Erwachsenen nach Bekanntwerden sexualisierter Gewalt bewegen sich zwischen Ungläubigkeit, Zweifel, Leugnung und Verdrängung einerseits und Angst, Panik und Überreaktion andererseits. Niemandem ist geholfen, wenn Sie überstürzt und unüberlegt reagieren.

Die Unsicherheit, im Kontakt mit der betroffenen Person etwas falsch zu machen, führt nicht selten zu einer lähmenden Sprach- und Hilflosigkeit, die es Betroffenen in der Folge oftmals erschwert, über das „unsagbare“ und „unhörbare“ Leid zu sprechen.

Vertraut sich Ihnen eine Person an, bleiben sie ruhig. Machen sie deutlich, dass es richtig und gut ist, dass sie sich Hilfe sucht und mit Ihnen spricht. Hören Sie zu und schenken Sie der Person Glauben. Es ist nicht Ihre Aufgabe herauszufinden, ob das, was sie erzählt, wirklich genau so geschehen ist. Klar ist, dass die Person etwas für sie Übergriffiges erfahren hat.

Löchern Sie die Person, die Ihnen von einem Übergriff erzählt, nicht mit Fragen und schützen Sie auch sich selbst. Sie müssen nicht alle Details wissen und hören. Die betroffene Person erzählt das, was sie erzählen möchte.

Bleiben Sie mit den Informationen nicht allein! Für die helfenden Personen ist es wichtig, sich der eigenen Grenzen und Kompetenzen bewusst zu sein. Unterstützung im Kolleg*innenkreis ist für die eigene Handlungssicherheit genauso wichtig, wie der Rat von externen Fachkräften. Um einen Verdacht zu konkretisieren oder auch zu entkräften, kann es notwendig sein, eine Beratungsstelle hinzuzuziehen. Beratungen können grundsätzlich auch anonym erflogen.

Soweit möglich, sollten alle Maßnahmen und Entscheidungen nicht über den Kopf der betroffenen Person hinweg getroffen werden. Besprechen Sie, was Sie als Nächstes tun wollen und wen Sie informieren, bei wem Sie sich Hilfe suchen. Je schneller Betroffene begleitende Hilfe und Unterstützung durch das soziale Umfeld und Fachberatungsstellen erfahren, desto erfolgreicher kann ihr Heilungsprozess verlaufen.

Zahlreiche gesetzliche Vorgaben – unter anderem im Sozialgesetzbuch und im Bundeskinderschutzgesetz – regeln die Prävention von und die Intervention bei Kindeswohlgefährdungen. Weitere Schutzbestimmungen, wie etwa die Vorlagepflicht von erweiterten Führungszeugnissen für haupt- und ehrenamtlich Beschäftigte, Schutzkonzepte in Schulen, KiTas und Jugendhilfeeinrichtungen oder die Entwicklung und Festschreibung von Qualitätsstandards im Umgang mit Fällen sexualisierter Gewalt ergänzen und verbessern die fachliche Praxis aller Agierenden im Kinder- und Jugendschutz.

Ein Verzeichnis der Hilfs- und Unterstützungsangebote vor Ort finden Sie auf der Karte (www.hilfeportal-missbrauch.de)  

 


Strafanzeige - ja oder nein?

Oftmals bestehen Bedenken, nach Aufdeckung der sexualisierten Gewalttat eine Strafanzeige zu erstatten. Viele Eltern und Erziehungsverantwortliche sorgen sich, dass das Kind das polizeiliche Ermittlungs- und spätere Gerichtsverfahren nicht bewältigen bzw. weiteren Schaden nehmen könnte.

Es sollte bereits vor Erstattung einer Strafanzeige die Möglichkeit in Erwägung gezogen werden, sich anwaltlich beraten zu lassen. Der Zeitpunkt einer Anzeige sollte - soweit möglich - immer im Sinne der betroffenen Person gewählt werden.

Wichtig zu wissen: sobald die Polizei vom Anfangsverdacht einer Sexualstraftat gegen Kinder und Jugendliche erfährt, ist sie gesetzlich dazu verpflichtet, dem Verdacht nachzugehen und Ermittlungen einzuleiten. Das nennt man „Legalitätsprinzip“ und bedeutet nichts anderes, als dass die Polizei „von Amts wegen“, also auch ohne Vorliegen einer Strafanzeige, Ermittlungen aufnimmt. Dabei besteht kein Ermessensspielraum und die betroffene Person bzw. deren rechtliche Vertretung/Erziehungsberechtigte haben darauf keinen Einfluss.

Bei allen Maßnahmen zur Aufdeckung und Beendigung der sexualisierten Gewalt sollten Schutz und Wohl der betroffenen Person oberste Priorität haben. Kinder und Jugendliche, die Opfer von Sexualstraftaten geworden sind, haben rechtlichen Anspruch auf Schutz, Begleitung und Unterstützung. Damit dies auch im Ermittlungsverfahren bei der Polizei und im späteren Gerichtsverfahren gelingen kann und das Kind oder der*die Jugendliche nicht nur als Zeug*in wahrgenommen wird, haben sie beispielhaft ein Recht auf die kostenfreie Vertretung durch eine*n Opferanwält*in und die Beiordnung einer kostenfreien psychosozialen Prozessbegleitung. Weitere Möglichkeiten, z.B. Nebenklage, Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen wie Schadensersatz oder Schmerzensgeld oder Durchsetzung von Ansprüchen nach dem Opferentschädigungsgesetz, Unterstützung durch die Opferhilfeorganisation Weisser Ring, stehen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen bei Vorliegen der jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen ebenfalls zu. Der Weisse Ring darf Kinder und Jugendliche jedoch nur in Begleitung der Erziehungsberechtigten beraten.

Die Polizei hat den gesetzlichen Auftrag, Opfer von Straftaten zu beraten und weitergehende Hilfen zu vermitteln. Das Kriminalkommissariat Kriminalprävention/Opferschutz jeder Polizeibehörde informiert kostenfrei über Opferrechte, den Ablauf des Strafverfahrens, psychosoziale Prozessbegleitung, Geltendmachung von Ansprüchen sowie Rechte und Leistungen der Opferentschädigung, bedarfsgerechte Angebote von Betroffenenhilfeeinrichtungen sowie der psychologischen Akuthilfe.

Bei der Entscheidung „Strafanzeige - ja oder nein?“ sollte immer auch der Aspekt des Opferschutzes bedacht werden. Ohne Strafanzeige bleiben Taten und Opfer möglicherwiese unentdeckt.

Eine Strafanzeige kann auch für Betroffene ein wichtiges Signal sein, dass sexualisierte Gewalt nicht ignoriert und toleriert wird und als Straftat zur Anzeige gebracht wird.

 


Verjährungsfrist

Für die im Strafgesetzbuch (StGB) normierten Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gelten wie für alle Straftaten gesetzliche Verjährungsfristen. Ist die Verjährungsfrist abgelaufen, kann die Tat nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden. Bei sexuellen Gewalttaten gegen Kinder beginnt die Verjährungsfrist – unabhängig vom Alter des Kindes zur Tatzeit – mit dem 21. Lebensjahr. Die Länge der Verjährungsfrist richtet sich nach der Schwere der Tat, die im Gesetz normiert ist.  Hier hilft im Einzelfall eine rechtliche Beratung zur Klärung der Fristen.

Die Verjährungsfrist zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche beträgt 30 Jahre vom Zeitpunkt der Tat.

Das Aufschieben einer Strafanzeige oder Klage kann Nachteile mit sich bringen: Spuren und Beweismittel könnten nicht mehr vorhanden sein und wichtige Zeug*innenaussagen nicht mehr erinnert werden. Der Nachweis der Tat, der zu einer Verurteilung führen kann, wird dadurch tendenziell schwieriger, ein Freispruch oder eine Einstellung des Verfahrens sowie die Nicht-Realisierung von Ansprüchen können die Folge sein.

 


Was ist Horizont? Und was bietet die Fachgruppe?

Die Essener Fachgruppe horizont ist ein seit 1986 bewährter Zusammenschluss von Fachkräften unterschiedlicher Professionen, die im Sinne einer konstruktiven und effizienten Vernetzung auf kommunaler Ebene gemeinsam an dem Thema „sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen?“ arbeitet.

Hauptanliegen von horizont ist die Vernetzung und die Interessensvertretung von Hilfesystemen und Fachpersonen sowie der fachliche Austausch.

Die Vertreter*innen der Beratungsstellen, Hilfeeinrichtungen und Institutionen treffen sich regelmäßig zum fachlichen Austausch und zur internen Weiterbildung sowie zu Fallbesprechungen.

Horizont kann außerdem angemessene Beratungs- und Unterstützungsangebote für Rat- und Hilfesuchende vermitteln.


Wie kann ich Mitglied werden?

Wenden Sie sich hierzu bitte an ein Mitglied der Fachgruppe horizont.


Mitglieder der Fachgruppe

AWO
Beratungszentrum für Familienplanung, Schwangerschaftskonflikte & Fragen der Sexualität
Lore-Agnes-Haus
Lützowstr. 32
45141 Essen
Telefon: 0201 – 31053
Mail: loreagneshaus@awo-niederrhein.de  
Homepage: www.lore-agnes-haus.de
Chat: www.liebe-lore.de

Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg
Diözesanverband Essen
An Sankt Ignatius 8
45128 Essen
Mail: maire.koestering@dpsg-essen.de
Mobil: 0177 – 706 2144

Diakoniewerk Essen
Gemeinnützige Jugend- und Familienhilfe
Soziale Dienste:
Bergerhauser Straße 17
45136 Essen
Telefon: 0201 – 26640
Homepage: www.diakoniewerk-essen.de

Erziehungsberatungsstelle Essen-Borbeck:
Bocholder Straße 31
45355 Essen
Telefon: 0201 – 45093 – 0
Ziel der Arbeit in allen Bereichen ist die sexuelle Selbstbestimmung.
Angebote zum Thema „sexuelle Gewalt im Kindes- oder Jugendalter“:
- Fall- und Fachberatung
- Fortbildung von Multiplikator*innen
- Elternabende in Kitas und Schulen
- Beratung von betroffenen Jugendlichen, Erwachsenen und Vertrauenspersonen
- Spezielle Angebote für Menschen mit Beeinträchtigung
- Präventive und sexualpädagogische Angebote
- Hinzuziehung von Sprachmittler*innen ist möglich
Die Beratung ist kostenfrei und anonym!

Evangelische Jugend Essen
III. Hagen 39
45127 Essen
Telefon: 0201 – 2205126
Mail: info@ejessen.de
Hinweis: im Betreff bitte Prävention nennen
Homepage: www.ejessen.de

Frauenberatung Essen
Zweigertstr. 29
45130 Essen
Telefon: 0201 – 786568 (Mo. – Fr. 10:00-13:00 Uhr, danach AB)
Mail: info@frauenberatung-essen.de
- Notruf und Beratung nach sexualisierter Gewalt
- Krisenintervention
- Akutberatung nach sexualisierten Gewalterfahrungen
- Stabilisierung nach traumatischen Erfahrungen
- Unterstützung und Begleitung bis zum Gerichtsprozess
Kostenlose Beratungstermine für Betroffene und deren Angehörige nur nach Vereinbarung. Für Frauen nach akuter Vergewaltigung erfolgt ein Rückruf innerhalb von 24 Stunden auch an Wochenenden und Feiertagen.

Frauenhaus Essen gGmbH
Das Essener Frauenhaus bietet Frauen und ihren Kindern Schutz und Wohnraum vor Gewalt durch Ehemänner, Partner oder andere Familienangehörige. Darüber hinaus bietet es:
- Vertraulichkeit und parteiliche Unterstützung
- Information über Rechte und Leistungsansprüche
- Hilfe im Umgang mit Behörden und bei der Beantragung von Leistungen
- Kindergruppen und Einzelangebote für Kinder
- Begleitung und Beratung mit Hilfe von Sprachmittlerinnen/Dolmetscherinnen
Postfach 120131
45311 Essen
Telefon: 0201 – 668686
Mail: frauenhaus-essen@t-online.de

Gesamtschule Borbeck
Hansemannstr. 15
45257 Essen
Telefon 0201 86067130
​​​​​Manuela.voigt[at]​ge-borbeck.nrw.schule
Homepage www.ge-borbeck.de  

Gleichstellungsstelle der Stadt Essen
Porscheplatz 1
45121 Essen
Telefon: 0201 – 88 – 88 951
Mail: gleichtsellungsstelle@essen.de
Die Gleichstellungsstelle setzt sich auf kommunaler Ebene für den Abbau geschlechterbedingter Benachteiligungen in Lebensbereichen von Frauen und Männern ein. Weitere Aufgaben sind die Initiierung und Unterstützung von Präventionsangeboten und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit zum Thema „sexuelle Gewalt“.

impulse e.V.
Integrierte Paar-, Lebens-
und Erziehungsberatung
Henriettenstr. 6, 45127 Essen
Tel.: 0201-85606-0, Fax: 85606-17
info@impulse-essen.de
www. impulse-essen.de

Jakob Muth-Schule
Förderschule mit dem Schwerpunkt emotionale & soziale Entwicklung
Am Bögelsknappen 7
45219 Essen
Telefon: 02054 – 937 630
Mail: jakob-muth-schule.info@schule.essen.de
Homepage: www.jakob-muth-schule-essen.de

Jugendamt Essen – Soziale Dienste
Vereinsstraße 2
45127 Essen
Telefon: 0201 – 8851 361
Mail: sozialedienste.51-10@jugendamt.essen.de
Stadtteilbezogene Beratungsstellen des Jugendamtes/ soziale Dienste:
Ziel der Sozialen Dienste ist es, Familien zu unterstützen und Kindern und Jugendlichen ein sicheres Aufwachsen zu ermöglichen.
Die Arbeit mit den Familien erfolgt sozialraum-, ressourcen- und lebensweltorientiert.

Dazu gehören im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben unter anderem folgende Tätigkeiten:
- Sicherstellung des Kinderschutzes, Prüfung von Kindeswohlgefährdungen gem. § 8a SGB VIII und Abwendung derselbigen (z.B. durch Inobhutnahmen von Kindern und Jugendlichen gem. § 42 SGB VIII)
- Präventionsangebote und Förderung von Familien, Kinder und Jugendliche im häuslichen oder institutionellen Umfeld (unter anderem im Bereich Prävention von sexualisierter Gewalt)
- Hilfen zur Erziehung gem. § 27 ff. SGB VIII, Eingliederungshilfe gem. § 35a SGB VIII und Hilfen für junge Volljährige gem. § 41 SGB VIII
- Unterstützung und Beratung von Kindern, Jugendlichen und Familien in herausfordernden Lebenslagen oder bei Kindeswohlgefährdungen
- Umgangsregelungen und Beratung im Rahmen von Trennung und Scheidung
- Stadtteil- und Netzwerkarbeit

Jugendamt Essen – geschlechtergerechte Arbeit
II. Hagen 8
45127 Essen
Telefon: 0201 – 8851 165
Mail: andrea.petri-bartfeld@jugendamt.essen.de
Homepage: www.townload-essen.de
https://www.essen.de/leben/einstieg_fuer/jugendliche_1/geschlechterspezifische_arbeit_1.de.html

Jugendpsychologisches Institut (JPI) der Stadt Essen
„Fachstelle spezialisierte Beratung bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“
Krisenintervention und Beratung/Fachberatung
Paßstr. 2
45276 Essen
Telefon: 0201/88 51 333

Kinderschutz-Zentrum des Deutschen Kinderschutzbundes
„Fachstelle spezialisierte Beratung bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“
Krisenintervention und Beratung/ Fachberatung
I. Weberstr. 28
45127 Essen
Telefon: 0201/202012
Mail: spezialisierte.beratung@dksb.de
Homepage: www.dksb-essen.de
Fort- und Weiterbildungsangebote zu Kinderschutz und Kindeswohl
- Beratung bei körperlicher, seelischer und sexueller Misshandlung/Vernachlässigung von Kindern, bei familiären Krisen und Fragen der Erziehung
- Beratungsangebote für Kinder und Jugendliche, Mütter und Väter sowie Erwachsene, die sich Sorgen um ein Kind machen
Beratungsangebot für Fachkräfte,
- die mit Gewalt in einer Familie konfrontiert sind
- die sich um die Entwicklung eines Kindes sorgen
- die eine Einschätzung bei einer möglichen Kindeswohlgefährdung suchen
Die Beratungen im Kinderschutzzentrum sind kostenfrei und auf Wunsch anonym. Alle Mitarbeitenden unterliegen der Schweigepflicht.

Kirchenkreis Essen
Projektleitung zum Thema „Prävention sexualisierte Gewalt“
III. Hagen 39
45127 Essen
Telefon: 0201 – 2205678
Mail: lisa.maas@ekir.de
Homepage: www.kirche-essen.de

Menschenstadt Essen
„Anbieter ambulanter Angebote für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung in Essen.“
III. Hagen 39
45127 Essen
Telefon: 0201 - 2205261
Mail: daniela.keil@evkirche-essen.de
Homepage: Menschenstadt Essen (menschenstadt-essen.de)

Polizeipräsidium Essen
Kriminalkommissariat Kriminalprävention/Opferschutz
Ruhrbruchshof 2
45276 Essen
Telefon: 0201/829-0 oder 829-4444
Mail: kpo.essen@polizei.nrw.de
Homepage: essen.polizei.nrw
- Beratung zum Ablauf des Straf-/Ermittlungsverfahrens
- Informationen über Opferrechte, Vermittlung von Opferhilfe und Opfernachsorge
- Vorträge und Informationen (Flyer, Broschüren, Handouts, Literaturempfehlungen
       etc.) für ratsuchende und interessierte Bürgerinnen u. Bürger, Kindertagesstätten,
       Schulen, päd. Fachkräfte, Eltern, Erziehende, Vereine, Verbände etc.
- Multiplikator*innenschulungen für Fachkräfte
- Projektkooperationen und Projektbegleitung für KiTa, Schule, Vereine, Firmen etc.
- Netzwerkarbeit

Rechtsanwältinnen
Imke Schwerdtfeger
Fachanwältin für Familienrecht und Mediatorin (BAFM)
Rüttenscheider Str. 94-98
45130 Essen
Telefon: 0201 – 862 12 12
Mail: schwerdtfeger@rue98.de
Homepage: www.rue98.de

 

Regionale Schulberatungsstelle der Stadt Essen (RSB)
Beratung für Lehrkräfte durch Schulpsycholog*innen im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt an Schüler*innen
Hollestr. 3
45127 Essen
Telefon: 0201 – 88 40131

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